Rund zwei Jahre ist es her, seitdem die ersten Flüchtlinge in Lohne angekommen sind. Inzwischen haben sie sich nicht nur gut eingelebt, sondern teilweise sogar schon eine Ausbildung begonnen.
Schulleitungsmitglied Alfons Pille kann sich noch gut an den Herbst 2015 erinnern: „Von heute auf morgen sollten wir jede Menge neue Schüler bekommen, die teilweise noch nie eine Schule besucht hatten und kein Deutsch sprachen. Wir haben uns dann überlegt, was wir tun können.“ Kurzerhand rief man die sogenannten Sprachförderklassen wieder ins Leben. Diese hatte es als Klassenform bereits früher gegeben und auch damals dienten sie schon dem Zweck, Schülerinnen und Schüler (z.B. Aussiedlern) die Gelegenheit zu geben, ihre Sprachkenntnisse zu verbessern. In Kooperation mit dem Ludgeruswerk Lohne (man brauchte ja spontan auch zusätzliche Lehrerkapazitäten) richtete man daher unmittelbar nach den Sommerferien 2015 drei solcher Klassen ein.
Zu Beginn des 2. Halbjahres 2015/16, als sich herauskristallisierte, dass die Zahl der zu betreuenden Schüler mit Migrationshintergrund weiter ansteigen würde, gab es eine Krisensitzung mit dem Landkreis. Die AKS erklärte sich kurzerhand bereit, die Flüchtlingsbeschulung aller 15- bis 18-Jährigen für den gesamten Landkreis zu koordinieren. Als im Sommer 2016 die ersten Schülerinnen und Schüler die Sprachförderklassen durchlaufen hatten war klar, dass man eine weitere Klassenform schaffen musste. Einige der Lernenden hatten in ihrem Leben zuvor noch nie eine Schule von innen gesehen und benötigten zunächst einen Schulabschluss, damit sie erfolgreich in eine Ausbildung vermittelt werden konnten. Also richtete man die sogenannten Berufseinstiegsklassen (kurz: BEK Klassen) ein, mit dem Augenmerk auf der Sprachförderung und der Chance, den Hauptschulabschluss zu erreichen. An zwei Tagen in der Woche findet der fachpraktische Unterricht in den Werkstätten statt. An den übrigen Tagen pauken die Schülerinnen und Schüler Deutsch, Mathe, Englisch, Technik und Politik. Um Sportunterricht zu erteilen, fehlt momentan ganz einfach die Stundenkapazität. Dabei wurden schon Lehrkräfte kurzfristig zusätzlich eingestellt, wie beispielsweise Gerlinde Niemann oder von umliegenden Schulen „ausgeliehen“ wie Andrea Vaske und Dirk von Frommann.
Inzwischen gibt es neun solcher Klassen an der AKS (drei Winterklassen und sechs Sommerklassen). Die Schülerinnen und Schüler der Winterklassen werden zum Ende des Schulhalbjahres erfolgreich ihren Hauptschulabschluss absolvieren. Da sie im Februar nicht unmittelbar mit einer Ausbildung beginnen können, kümmern sich BEK-Teamleiter Konrad Muhle, Sozialpädagogin Sarah Wolke und die pädagogische Mitarbeiterin Annelore Arnold darum, dass die Lernenden zunächst an einer sogenannten Einstiegsqualifizierungsmaßnahme teilnehmen können. Hierbei lernen sie im Rahmen eines Praktikums bereits ihren Ausbildungsberuf kennen und schnuppern parallel dazu in den Unterricht des ersten Berufsschuljahres hinein. „Auch wenn es nicht von heute auf morgen geht, Integration ist möglich“, erklärt Pille. Besonders erfreut ist er darüber, dass auch die Betriebe mitziehen und den Praktikanten oder Auszubildenden einen zusätzlichen Berufsschultag für die Sprachförderung einräumen.
Obwohl sich die Abläufe inzwischen eingespielt haben, gibt es für Gerd Honkomp und Alfons Pille immer noch jede Menge zu tun. An einigen Tagen klingelt das Telefon ununterbrochen. „Auf jeden Schüler kommt ein Betreuer“, schmunzelt Alfons Pille. „Einerseits ist das natürlich super, dass die unbegleiteten, minderjährigen Schüler so intensiv betreut werden, andererseits kostet uns die Bürokratie – dazu zählen zum Beispiel Angaben für Berichte – auch wertvolle Zeit.“ Die Wohnsituation der BEK-Schüler gestaltet sich zum Teil sehr unterschiedlich. Während einige inzwischen mit ihrer nachgezogenen Familie zusammenleben, sind andere in Wohngruppen oder Betreuungseinrichtungen des Jugendamts untergebracht. Aber ganz gleich, wer den Part des Erziehungsberechtigten übernommen hat: Alle interessiert vor allem eins brennend: Wie kann der Hauptschulabschluss geschafft werden, welche Voraussetzungen gibt es, was kann geübt werden usw. Aus diesem Grund wird es nach den Herbstferien auch einen Informationsabend in der AKS geben, bei dem Konrad Muhle alle Interessierten informiert.
Trotz aller Erfolge, reibungslos verlief die Koordination in den vergangenen zwei Jahren dennoch nicht immer. So gab es hier und da auch mal Missverständnisse bei der Verteilung und Betreuung der Schülerinnen und Schüler. „Wir Berufsschulen sollten uns eigentlich gemeinsam mit den Gymnasien um die 15- bis 18-Jährigen kümmern.“ Einmal sei es jedoch vorgekommen, dass ein Gymnasium des Landkreises sich geweigert habe, Lernende aufzunehmen. Daraufhin fuhr Alfons Pille eigenhändig gemeinsam mit den betroffenen Schülern zur besagten Schule, um die Situation zu klären.
Neben solchen kleinen Ärgernissen überwiegen aber der Stolz und die Freude an dem, was man alles auf die Beine gestellt hat. Inzwischen werden an der AKS, den HLA und der Justus-von-Liebig Schule mehr als 200 Schülerinnen und Schüler in Sprachförder- und BEK-Klassen unterrichtet. „Ohne die ganzen tollen Kollegen, die mitziehen und einfach machen, wäre dies alles gar nicht möglich“, so Alfons Pille. „Erkenntlich für den Einsatz zeigen sich in erster Linie immer wieder die Lernenden selbst, die einen anstrahlen oder sich bedanken, weil man ihnen etwas beigebracht hat.“
Besonders in Erinnerung geblieben ist Pille vor allem die Zeit mit den ersten Sprachförderklassen an der AKS. Im Herbst 2015 gab es noch gemischten Sportunterricht. Zunächst sei er mit der Situation ein wenig überfordert gewesen und habe sich gar nicht vorstellen können, wie das funktionieren soll. Er habe dann einfach die Schülerinnen und Schüler gefragt, was sie gerne machen würden: „Fußball“ lautet die einstimmige Antwort von Jungen und Mädchen. „Wie soll das denn funktionieren, dachte ich und habe mich schon in der Notaufnahme des Krankenhauses gesehen“, so Pille. Also stellte er spontan die Regel auf, dass nur die Mädchen Tore schießen dürfen. Trotz anfänglicher Skepsis wurde es eine der besten Fußballstunden, die er in seiner Schullaufbahn erlebt hat. Die Jungen rackerten sich im Mittelfeld ab und bolzten was das Zeug hielt und die Mädchen schossen auf die Tore, als ob sie nie was anderes gemacht hätten.