Bildung hinter Gittern hieß es heute (01.10.2019) für die Schülerinnen und Schüler der Klassen 11A und 11B des Beruflichen Gymnasiums Technik. Gemeinsam mit ihren Lehrkräften Marion Helmes, Nicole Susen, Kirsten Grothaus und Jonas Klinger ging es in die Justizvollzugsanstalt Vechta, um die Ausstellung „Lasst mich ich selbst sein. Anne Franks Lebensgeschichte“ zu besuchen.
Bereits bei der Ankunft wurde deutlich, dass es sich nicht um einen gewöhnlichen Ausstellungsbesuch handelte, so mussten erst einmal alle Teilnehmer den Sicherheits-Check-In durchlaufen und ihren Personalausweis und alle elektronischen Geräte abgeben. Anschließend ging es unter Aufsicht eines JVA-Angestellten einmal quer über den Innenhof der JVA in das nächstgelegene Gebäude, indem sich Seminar- und Veranstaltungsräume befinden.
Dort warteten zwei sogenannte Peer-Guides” auf die Schülerinnen und Schüler, um ihnen die Lebensgeschichte von Anne Frank näher zu bringen. Das Besondere: Bei den Guides handelt es sich um junge Häftlinge, die sich im Vorfeld an zwei Tagen pro Woche zu Lernbegleitern haben schulen lassen, das Tagebuch von Anne Frank gelesen und ihre Lebensgeschichte studiert haben, um dieses Wissen wieder weitergeben zu können.
Knapp zwei Stunden arbeiteten die Peer Guides gemeinsam mit den Lernenden die Lebensgeschichte von Anne Frank und ihrer Familie auf. Langeweile kam definitiv keine auf, da die Schülerinnen und Schüler immer wieder aktiv eingebunden wurden und auch eigenes Wissen einbringen konnten. Am Ende der Ausstellung schlugen die Peer Guides dann noch den Bogen in die heutige Zeit und sensibilisierten die Lernenden für rassistische und diskriminierende Tendenzen in unserer Gesellschaft und diskutierten gemeinsam mit ihnen mögliche Lösungsstrategien.
Nachdem die Peer Guides ein Feedback der Schülerinnen und Schüler für ihre Ausstellungspräsentation eingefordert hatten – was durchweg positiv ausfiel – standen sie den neugierigen Fragen der Elftklässler rund um das Leben im Gefängnis Rede und Antwort. Neben dem Haftgrund der Peer Guides interessierten sich die Lernenden vor allem für den Alltag im Gefängnis, womit sich die Häftlinge den ganzen Tag beschäftigen, wie sich die Insassen untereinander verstehen, welche Sanktionen es bei Streitigkeiten gibt, wie das Essen ist und ob sie das, was sie getan haben bereuen.
Ganz offen und ehrlich bilanzierten die Häftlinge ihre aktuelle Situation, erklärten den Schülerinnen und Schülern auch, dass sie ihre Taten bereuen würden, da man erst im Gefängnis, abgeschnitten von der Außenwelt merken würde, was wirklich wichtig sei – zum Beispiel Familie – dass es aber aufgrund der geringen Besuchszeiten fast unmöglich sei, stabile Beziehungen aufrecht zu erhalten. Auch wenn die Häftlinge tagsüber arbeiten gehen oder eine Ausbildung machen können, so ist das Leben dennoch eher monoton und wenig abwechslungsreich. Die Hof- und Freigänge seien auf einzelne Stunden begrenzt und ansonsten sitze jeder alleine in seiner Zelle und habe abgesehen von Musik und Fernsehen wenig Unterhaltungsprogramm.
Auch wenn der ein oder andere sicherlich gerne noch mehr über den Alltag im Gefängnis erfahren hätte, freiwillig bleiben wollte dann doch niemand und so ging es nach großem Applaus für die Peer Guides und einem einem Eintrag in das Gästebuch der JVA-Wanderausstellung gegen 13 Uhr zurück nach Lohne.